Mehr Fun mit Drinks: Warum Cocktails heute wieder Spaß machen dürfen   

27 March 2024

Bird's Nest - Credit Yves Sucksdorf
Bunte, kitschige Cocktails waren in der gehobenen Barszene lange verpönt. „Serious drinking“ lautete das Motto: Minimalistisch und fokussiert auf den Inhalt sollte es sein. Doch immer mehr Bars bieten ihren Gästen opulent, experimentell oder gar provokant inszenierte Drinks an. Zum Beispiel in Berlin. Wir haben uns umgeschaut.

Ein bisschen bedrohlich sieht er ja schon aus, der – „A Lesson in Fisting“, vor uns auf dem Tisch der „Bellboy Bar“ am Berliner Gendarmenmarkt: Ein dicker roter Handschuh aus Keramik, gefüllt mit weißem Rum, Calvados, Birnenlikör, Falernum, Ananas und Absinth. Garnitur: Minze, Orangenrad und ein Kondom. Natürlich zücken wir erstmal das Handy zum Fotografieren, bevor wir den (sehr kräftigen) Drink probieren.
 
Und so ist es überall ringsum: Es werden Cocktails in Hörnern, Badewannen oder Gefäßen in Form eines Backenzahns herbeigetragen, die von den Gästen fotografiert, gefilmt und oft geteilt werden, wie man auf Instagram, TikTok und Co. sehen kann. Das „Bellboy“, das aus Tel Aviv stammt, hat sich mit seinen spektakulären Drinks schnell einen Namen gemacht. Die abgefahrenen Cocktails kommen bei einem durchaus eleganten, etwas älteren Publikum sichtlich gut an.


Drinks am Plastikenten-Brunnen

Gleich neben der Bar eröffnete die „Bellboy Group“ 2023 das Restaurant „Pink Room“: Auch hier sehen die Drinks alles andere als klassisch aus. Sie kommen u.a. in Teetassen oder mit aufwändigen Dekorationen daher, was gut zur schrillen Location passt, in deren Zentrum ein Brunnen steht, der ohne Ablass gelbe Plastikenten auszuspeien scheint. Die Speisen- und Getränkequalität ist hoch, denn es ist ein Fine-Dining-Restaurant, nur eben ein etwas aus der Reihe tanzendes. Auch hier werden oft erst die Smartphones herausgeholt, bevor probiert wird: Der Fun will geteilt werden!

Am Potsdamer Platz wiederum zischt, dampft und brennt es: Hier hat sich Mitte 2023 die britische Kette „The Alchemist“ niedergelassen, mit seinem ersten Outlet außerhalb der Insel. Drinks, auf denen eine Kaltrauchblase thront, die von den Gästen mit der Nase oder den Fingern zerstäubt wird (super fürs erste Date!), haben in der Barwelt ja schon Konjunktur. Andere rauchen und blubbern durch Stickstoff im Glas, kommen in Kolben oder Reagenzgläsern an den Tisch, verändern ihre Farbe oder sind umrahmt von einem Trinkgefäß, das man aufessen kann.

Alchemist - Credit Jan-Peter Wulf / Bellboy Bar - Credit Jan-Peter Wulf

Alchemist - Credit Jan-Peter Wulf / Bellboy Bar - Credit Jan-Peter Wulf

Achtung, Radioaktiv!

Und auch in der Mitte-Bar „The Wash“ ist Experimentieren angesagt: Seinen ersten Geburtstag feiert es im Keller zwischen Getränkeflaschen und -kisten. Denn dort wurde die Speakeasy-Bar „The Storage“ eingerichtet. Kapazität: zwei Plätze. Die Gäste buchen sich einen einstündigen Slot und wählen sich je zwei der fünf Drinks aus der digitalen Karte aus. Wir probieren die Gin-Sour-Adaption „Radioactive“: Monkey 47 Gin, Cascara, Grapefruit, Lemon und Bitters.

Was soll daran radioaktiv sein?! Das Licht geht aus und beim Eingießen ins Glas, das auf einem LED-Coaster steht, leuchtet es uns ein: Grellgrün wie bei Homer Simpson im Kernkraftwerk ist das Liquid. Möglich macht es das Vitamin Riboflavin. So „giftig“ der Look, so genussvoll der Drink. Die Show geht weiter: Destilliertes Wasser unter null Grad gefriert beim Eingießen in den Martini-Cocktail sofort und umschließt die Olive wie ein glasklarer Stalagmit. Wow! „Der Gast geht heute nicht mehr nur zum Trinken in die Bar. Du musst ihm schon ein größeres Erlebnis bieten. Der Anspruch an die Präsentation ist deutlich gestiegen“, erklärt uns Barbetreiber Dustin Render die Idee hinter der ungewöhnlichen Karte. Das „The Storage“ im Keller fungiert auch als Testlabor für die reguläre Karte der Bar im Erdgeschoss – man darf gespannt sein, was sich dort demnächst an experimentellen, aufmerksamkeitsstarken Drinks wiederfindet.

Radioactive - Credit The Wash

Radioactive - Credit The Wash

Feuer und Rauch

Anderes Konzept, aber auch hier alles andere als reduzierte Präsentation: Das neue „Bird’s Nest“ im Nikolaiviertel, gleich am Fernsehturm, ist die neue Heimat von Arnd Heißen. Die Barszene kennt ihn als großen Gastgeber und Experten für Aromen. Der erste Cocktail, den wir probieren, heißt „Kirke“ und ist dem gleichnamigen Parfum nachempfunden. Was Heißen im „Fragrances“ im Hotel „The Ritz-Carlton Berlin“ begann, setzt er hier fort: Drinks, inspiriert von Düften, sind seine Kernkompetenz. Der Tonbecher mit dem Tequila-Cocktail befindet sich im tiefen Schnabel einer Vogelfigur. Sieht stark aus! Drink zwei ist der „Fuego Futuro“ u.a. mit Mezcal, Wermut, Mate und Pinienlikör. Weißer Salbei wird mit ihm gereicht, effektvoll angezündet und mit einer Abaloneschale abgedeckt. Ein betörender Duft, der den Drink umrahmt und das Erlebnis steigert.
 
Warum macht Heissen, warum machen gerade so viele Bars so ein Brimborium um ihre Drinks? Der Bar-Routinier und Menschenkenner erklärt es uns: „In der jetzigen Situation wünschen sich die meisten Gäste Spaß. Wir haben so viele negative Einflüsse um uns herum. Die Bar ist ein sozialer Ort, zu dem die Menschen aus ihrem Alltag fliehen können.“ Krisen, Sorgen, Ungewissheiten, die unseren Alltag beherrschen, meint er, wollen die Gäste für die Länge eines Abends quasi an der Garderobe abgeben und „einfach“ mal eine gute Zeit haben. Er erhalte viel Dankbarkeit dafür, dass er sich mit seinem Team so viel Mühe gibt, für eine solche gute Zeit zu sorgen, erklärt er uns.

Austritt aus dem Alltag!

Dieses Bedürfnis nach einem Austreten aus dem Alltag dürfte auch der Grund für den Erfolg der anderen aufwändigen Drink-Präsentationen sein: Denn vielen Gästen geht es nicht nur um den Geschmack eines Cocktails, sondern eben auch um das Erlebnis seiner Inszenierung. Das Bunte und Schillernde der Fancy-Cocktail-Ära trifft hier auf die hohe Qualität, die mit der Renaissance der Barkultur seit der Jahrtausendwende immer mehr Einzug in den Bars hielt.

Werden wir bald also nirgendwo mehr einen glasklaren Drink im Nick & Nora und ohne Garnitur mehr serviert bekommen? Doch, ganz bestimmt werden wir das. Nur haben wir jetzt beides: Minimalismus und Maximalismus, Reduktion und Opulenz. Und das kann der Vielfalt nur guttun.

Bird's Nest - Credit Yves Sucksdorf.png

Bird's Nest - Credit Yves Sucksdorf

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