Die 7 zentralen Aussagen seines Vortrags haben wir hier für euch zusammengefasst.
1. Ein Eitelkeitsprojekt ist kein Konzept
Viele Bars werden aus persönlichem Antrieb heraus eröffnet: Dem Wunsch eines Bartenders oder einer Bartenderin, selbst eine Bar zu betreiben und eine Idee zu verwirklichen. Doch sobald sich die Tür öffnet und man seine Idee mit der Öffentlichkeit teilt, geht es nicht mehr um die Person, sondern nur noch um den Ort. „Ab diesem Moment ist eine Bar kein Eitelkeitsprojekt mehr“, erklärt Nevsky. Darum braucht jede Bar ein Konzept.
2. Das, was viele Bars unter Konzept verstehen, ist Bullshit
Nevsky hat sich die 2023er-Liste der „The World’s 50 Best Bars“ genauer angeschaut und ermittelt: 26 von 50 Bars haben Minimalismus als Thema und spielen es mit entsprechender Glassware, Dekoration und Drinks. Ein Drittel fokussiert sich auf Nachhaltigkeit, Saisonalität und Regionalität. Wogegen nichts einzuwenden sei, so Nevsky. Aber macht es eine Bar einzigartig, wenn dies so viele Bars tun? Was unterscheidet die Bars dann abseits von ihren geografisch unterschiedlichen Standorten?
3. Man kann ein Bar-Konzept heute überall spielen
Früher waren Bars an Ort und Zeit gebunden: Gin Palaces eröffneten, als Gin in London zu boomen begann. Speakeasys blühten zur Prohibitionszeit auf (heute sind sie nur noch Bars mit einer „geheimen“ Tür, so Nevsky). Tee- und Kaffeehäuser hatten ihre Zeit. Tiki Bars – ein Kunstfabrikat der Fifties. Heute können, dank Globalisierung, weltweitem Handel und Verfügbarkeit von Waren, Konzepte überall umgesetzt werden, von der bayerischen Bierhalle bis zum Taco-Restaurant praktisch an jedem Ort der Welt. Wir haben dafür sowohl die Ressourcen als auch das Wissen, so Nevsky.
4. Es gibt „nur“ 6 Bar-Typologien
Laut Danil Nevsky lassen sich alle Bars in diese 6 Typen einordnen:
- Tiki-Bars bzw. Themenbars (Thema Eskapismus)
- Hotelbars
- Sportsbars mit TV-Übertragungen und Fans
- Pubs (regional anders ausgeformt, in Deutschland z.B. das Wirtshaus)
- American Saloon mit Drinks im klassischen Stil
- Modernist Cocktail Bars mit neuen Drinks, minimalistischem Design und moderner Technik
Natürlich gibt es Überschneidungen. Eine heutige Tikibar zum Beispiel kann durchaus mit moderner Technik wie einem Rotationsverdampfer arbeiten, so Nevsky.
5. Die Aufgabe einer Bar: Drinks verkaufen, Geld verdienen
Die Idee einer Bar kann noch so künstlerisch und „mixologisch“ sein: Ist das Business nicht profitabel und werden Mitarbeitende nicht gut bezahlt, dann funktioniert die Bar nicht, egal wie cool sie wirken mag. Nevsky macht es plakativ:
Eine Bar ist ein Business.
Eine Bar hat eine Zielgruppe.
Eine Bar ist ein Ort für Gäste, um dem Alltag zu entfliehen.
Ein Konzept ist nur gut, wenn die Bar profitabel ist.
Gäste interessiert deine Bar-Idee nicht. Sie wollen eine gute Zeit mit Freund*innen haben, sie wollen gute Drinks, es soll komfortabel sein. Das wird oft vergessen, weil viele Bars eben als Eitelkeitsprojekte entstehen, so Nevsky.
6. Thema, Fundament, Gäste, Differenzierung
Wie wird nun ein erfolgreiches Konzept entwickelt? Nevsky hat vier grundlegende Faktoren herausgearbeitet:
T wie Thema – ist es „abstract“ oder „literal“ (wortwörtlich)? Beispiel für ein abstraktes Thema: die weltberühmte Bar Paradiso in Barcelona – vom Begriff Paradies hat jeder Mensch eine andere Vorstellung. Ebenso Wax On! in Berlin – der vom Film „Karate Kid“ entlehnte Begriff erklärt sich nicht von selbst. Beispiele für wortwörtliche Themen: Dante NYC (italoamerikanisch), The Dead Rabbit (irischer Pub). Nicht das eine oder das andere ist besser, so Nevsky: „literal“ ist zugänglicher, wohingegen sich mit „abstract“ mehr spielen lässt.
F wie Fundament – jedes Barkonzept ist entweder vom Produkt (Rum, Whiskey, Gin usw.), von der Technik (gezapfte Cocktails, besondere Garnishes) oder von der Kultur (mexikanische Cantina, italienischer Aperitivo usw.) getrieben. Wichtig sei dabei zu beachten: Was verstehen die Menschen vor Ort unter der jeweiligen Kultur: Wird in der Stadt viel Rum getrunken? Welche Vorstellung haben sie von italienischem Aperitivo?
G wie Gäste – viele internationale Bars – da sind wir wieder beim Eitelkeitsprojekt – richten sich an Expert*innen (selbst Bartender*innen und andere Personen aus der Branche). Mit Expert*innen verdient man aber kein Geld, so Nevsky. Weswegen solche Bars oft nach kurzer Zeit wieder schließen. Auch Foodies (Food- und Drinktourist*innen, die nach Listen und Locationempfehlungen reisen) bringen eher wenig Umsatz. Wichtiger sind Cocktail Lovers, Drinkfans, und vor allem: Masses, der Mainstream. An den muss sich das Barkonzept in erster Linie richten, wenn es finanziell erfolgreich sein will.
D wie Differenzierung – was unterscheidet die Bar im Detail von anderen Konzepten dieser Ausrichtung? Beispiel: Wenn du eine italienische Bar hast, was machst du anders als der Wettbewerb?
7. Die „Konzept-Checkliste“
Auf Basis der Bar-Typologie und der vier Faktoren hat Danil Nevsky eine Checkliste für die Erstellung eines Barkonzepts erstellt. Sie besteht aus drei Ebenen.
Erste Ebene:
Inspiration: Was hat dich zur Idee gebracht, eine Bar zu eröffnen?
Typologie: Welche Art von Bar soll es sein (s. Punkt 4)
Thema: abstrakt oder wortwörtlich?
Fundament: produkt-, technik- oder kulturgetrieben?
Name: Wie heißt die Bar?
Gäste: Welche Zielgruppe?
Food/Drinks: Was wird angeboten?
Alleinstellungsmerkmal: Was macht dich einzigartig?
Zweite Ebene:
Dienstkleidung: ja/nein, wenn ja, wie sieht sie aus?
Sprache: Wie sprechen wir unsere Gäste an?
Dekor: Wie sieht unsere Einrichtung aus?
Branding: Wie präsentieren wir unsere Marke z.B. auf Untersetzern?
Dritte Ebene:
Sight
Sound
Smell
Mit dieser Checkliste können sowohl neue Konzepte aufgebaut als auch bestehende analysiert werden. Danil Nevsky verdeutlicht es zum Abschluss am Beispiel der Bar Maybe Sammy in Sydney, Australien.
Inspiration: Frank Sinatra & The Rat Pack
Typology: Hotelbar ohne Hotel
Foundation: italienische Kultur (italienische Betreiber, viel italienischstämmiges Personal)
Theme/Name: wortwörtlich. „Maybe Sammy“ bezieht sich auf eine Location in Las Vegas, in der Dean Martin regelmäßig auftrat, manchmal aber auch sein Freund und Kollege Sammy Davis Jr., weswegen „maybe Sammy“ auf den Plakaten der Location stand.
Gäste: 25 bis 45 und „upper class“
Food/Drinks: Cocktails und Barsnacks
Alleinstellungsmerkmal: Bubbles auf den Cocktails (bevor sie überall auftauchten) und ein tanzendes Team in pinken Anzügen.
Wenn man es so herunterbricht bzw. aufschlüsselt, erklärt Danil Nevsky, so wird es plötzlich viel einfacher zu verstehen, warum es wie im Falle von „Maybe Sammy“ genau so gemacht wurde. Man sieht dann auf einmal: Die Mitarbeitenden tanzen nicht einfach so, dahinter steht eine Intention: Man will eine Hotelbar sein, aber keine prätentiöse, schrullige Hotelbar, sondern „Coyote Ugly in einer Fünf-Sterne-Divebar“. Was auf Instagram „super cringe“ aussieht, so Nevsky, geht vor Ort voll auf: Alle Gäste sind begeistert und bestellen sich viele Drinks.
Sein Fazit: Das „Maybe Sammy“ ist ein erfolgreiches Konzept, weil es viel Geld verdient.
Danil Nevsky bietet auf seiner Webseite verschiedene kostenlose Vorlagen und Tools für das Bar-Business an – unter anderem die von SIP präsentierte cocktail menu collection mit über 100 Barkarten, die nach Land, Location und Jahr sortiert sind.